Schlaflied
Ich bin in der Nacht wach geworden. Ich habe gedacht Mutter würde an meinem Bett sitzen und mir ein Schlaflied singen. Ich erinnere mich wieder daran, sie hat das ab und an gemacht. Nachdem ich als Kind erfahren hatte, das sie auch mal für Alex gesungen hat als er jünger war, wollte ich das auch. (Ich glaube - auch wenn ich selber Schlaflieder wollte - habe ich mich eine Zeit lang über Alex lustig gemacht wenn wir ihn bei einem Treffen gesehen haben). Auf alle Fälle hat Mutter oft dieses Lied gesungen ... fast alle der Lieder die sie kannte kamen aus der alten Welt. Manchmal hat sie mir auch Geschichten dazu erzählt.
Ich weiß nicht warum ich mich ausgerechnet jetzt daran erinnere. Was habe ich davon außer Trauer?
Rimay liegt eine Weile auf dem Bett und starrt nach oben, bevor sie sich dazu entscheidet aufzustehen. Sie geht zur Feuerstelle und dem großen Steinkopf und setzt sich dort auf eine der Bänke. Sie sieht hinunter ins Tal und zum Meer und versucht sich wieder zu erinnern. Niyaha ist ihr zu dem Platz gefolgt. Mit etwas Abstand steht der Federraptor dort und wacht über Rimay, die in der Dunkelheit leuchtenden Augen sind auf sie fixiert. Rimay summt leise vor sich hin, so leise, das es beinahe vom knistern des Feuers übertönt wird. Sie versucht sich an den Text zu erinnern, aber alles, woran sie sich erinnern kann ist ein kleiner Teil des Liedes ...
"you call my name ... and I'll be gone."
Misslungene Zähmversuche
Ich hatte heute endlich genug Ausrüstung um einen Versuch zu starten die Raptoren zu zähmen. Zumindest dachte ich das. Nunja - die Ausrüstung war gut, die Umgebung wohl eher nicht. Ich werde mich das nächste mal lieber auf die Ebene in Richtung der Händler begeben, denn da ist es übersichtlicher.
Eigentlich lief alles wirklich gut - bis so eine kleine Vogelechse mich angesprungen hat, Niyaha einen Schrei von sich gab und andere Raptoren in der Nähe aufmerksam wurden. Eigentlich kann ich ja von Glück reden, dass ich nur meine Ausrüstung verloren habe. Niyaha ist eine weile später zuhause aufgetaucht. Den toten Echsenvogel im Maul. Sie hat mich ganz stolz - oder vielleicht auch vorwurfsvoll angesehen - als ob sie mich verhöhnt. "Hier, das kleine Ding ist für deinen Tod verantwortlich! Aber ich habe es mit einem Biss erledigt!" Naja ... ich bin froh das es Niyaha gut geht.
Ich muss jetzt unbedingt neue Materialien für eine halbwegs gute Ausrüstung zusammen bekommen. Waffen und Pfeile habe ich noch auf Lager aber ich werde noch etwas Narkosemittel benötigen. Und ich benötige noch etwas Material für ein neues Blätterkostüm. Beim nächsten Versuch will ich noch vorsichtiger sein.
Mutter hat Raptoren ja immer gehasst. Ich finde diese kleinen Federechsen noch schlimmer. Ich glaube Mutter hätte sie auch nicht gemocht.
Rimay trifft die beiden Männer die ihr so bekannt vor kommen wieder. Oder besser gesagt - sie suchen Rimay immer wieder auf. Der jüngere von beiden - Nashoba - stellt sie zur Rede und nimmt sie mit einem Greifen bis hin zum Canyon. Nun ... das Gespräch verlief alles andere als gut, und er tritt sie von dem Felsvorsprung.
Die Vergangenheit die mich jagt
Sie lassen mich nicht in Ruhe. Vor allem er nicht. Er erinnert mich an meinen Onkel. Er ist sein Sohn. Ich bin mir sicher. Ich hasse ihn. Ihn und seinen Bruder. Oder nicht. Ich weiß es nicht. Ich will einfach nur meine Ruhe. Ich wollte hier einfach nur mein Leben leben! Meinen eigenen Weg gehen! Das war das was ich immer tun wollte. Ich habe mein Leben im Rudel geliebt und zugleich verabscheut. Ich wollte unabhängig sein, an keine Regeln gebunden die meine Eltern gemacht haben. Und Mutter fand das okay! Aber jetzt fange ich an an mir und meinen Entscheidungen zu zweifeln. Weil sie mich nicht in Ruhe lassen. Sie sind wie Geister meiner Vergangenheit die mich verfolgen. Wie die Träume die jetzt jede Nacht wiederkehren. ICH WILL DAS SIE VERSCHWINDEN. Oder nicht?
Ich war froh ... nachdem ich durch all den Ärger mit dem missglückten Zähmen auf ein Lowblood traf. Er hatte ein Schiff. Mutter hatte damals auch eines. Das hat sie erzählt. Ich erinnere mich noch an jenen Tag. Ich kenne den Grund nicht mehr, aber wir haben uns bei den vereinten Stämmen getroffen. Sie nahm mich auf einem kleinen Schiff mit aufs Wasser und ihre Augen leuchteten! Ich habe Mutter bewundert. Wie sie das Schiff elegant über das Wasser steuerte, der Wind ihre Haare zerzauste - und sie lachte. Ich habe sie selten so lachen sehen. Auf das Lowblood zu treffen war gut. Er ist ein neuer Handelspartner der mich die schrecklich hohen Preise bei den Tradern umgehen lässt. Und dann sind die beiden Brüder auch dort aufgetaucht. Folgen sie mir?
Mitten in der Nacht zu gehen war ein Fehler. Mir war kalt und ich habe mich auch kurz im Dschungel verirrt. Ich war nicht richtig bei der Sache ... Ich wusste das beide oder einer der beiden wieder kommen würde. Er kam wieder.
Er weiß jetzt wer ich bin. Und er hasst mich. Aus einem anderen Grund als ich ihn hasse. Ich hasse ihn, weil ich gehört habe das sie für das Chaos verantwortlich waren, welches zum Tod meiner Mutter führte. Aber das glaube ich nicht mehr. Jetzt ... jetzt hasse ich die beiden, weil sie mich nicht in Ruhe lassen. Ich habe versucht das alles hinter mir zu lassen und mir einzureden: Hey, es ist okay wie du jetzt lebst, Mutter meinte das auch, es ist meine Entscheidung. Aber ich mache mir Sorgen das es nicht okay ist. Schon seit dem Grenzfall. Ich habe versucht diesen Anblick zu verdrängen. Ich wollte nie mehr das Bild meiner toten Mutter vor Augen haben. Aber neben all der schönen Erinnerungen kehrt auch das wieder. Wie ein Schatten.
Ich bin etwas überrascht das er mir nicht gleich den Stein entfernt hat. Aber ... wenn ich mich an Verrätern und den Gesichtslosen rächen würde ... dann würde ich das wohl auch nicht machen, mh? Sie werden wieder kommen. Nur er - oder beide. Und etwas anderes als warten kann ich nicht. Ich renne nicht davon. Das habe ich einmal gemacht und es hat zu all dem hier geführt. Auch wenn ich nicht aus Angst gerannt bin ... sondern nur aus purem Frust. Ich weiß nicht was ich tun werde wenn sie wieder hier sind. Kämpfen? Reden? Es ist ja schon fast schwerer sich darüber Gedanken zu machen, als wilde Raptoren zu zähmen ...
Ich war wirklich ein dummes dummes Kind. Aber ich stehe zu meinen Entscheidungen. Auch denen von damals. Jetzt kann ich ohnehin nichts mehr daran ändern.
Rimay liegt auf ihrem Bett und konzentriert sich auf den pochenden Schmerz der ihren ganzen Körper durchdringt, als würde sie das von ihren Gedanken erlösen. Nach einer Weile setzt sie sich auf. Sie geht hinaus zum Feuer und sieht von dort aus in die Richtung des Abhangs von dem siegestoßen wurde. "Naja ... irgendwie habe ich es vielleicht verdient. Heimzahlen werde ich ihm das trotzdem irgendwann. Auf welche Art und Weise auch immer." Ein leises, beinahe zustimmendes Fauchen dringt aus dem Gebüsch hinter ihr und die gelb funkelnden Augen des Federraptors scheinen Rimays Blick hinüber zum Abhang zu folgen.